von Peter Hablützel
(Zusammenfassung des Referats an der Adminus-Tagung vom 25.10.2014)
Seit ein paar Jahren nimmt die Bürokratiekritik spürbar zu. Aber es ist nicht mehr dieselbe Kritik wie in den 1980er und 1990er Jahren. Damals wurden Staat und Staatsverwaltung von Bürgern und Steuerzahlern kritisiert, weil sie viel zu teuer seien und der Gesellschaft mit einer Gesetzesflut jede Freiheit raubten. Heute konzentriert sich die Kritik auf – staatsnahe und private – Betriebe und Organisationen v.a. im Bereich von Gesundheit, Sozialem und Bildung. Und die schärfste Kritik kommt nicht von ausserhalb, sondern aus dem Innern dieser administrativen „Monster“, wo eine Misstrauenskultur herrsche und rigorose Kontrollsysteme gerade die engagiertesten Mitarbeitenden demotivierten.
Bürokratie und Bürokratiekritik scheinen sich also im Laufe der Zeit zu verändern. Ich versuche deshalb, mit einem Phasenmodell die Begrifflichkeit als Analyseinstrument etwas zu schärfen:
-
Vor- und Frühformen von Bürokratie
Antike bis 19. Jahrhundert. Führung von Grossorganisationen nach militärischem Vorbild. Soldaten, Befehl und Gehorsam, Personen, hierarchische Positionsmacht bis hin zu Willkür und Gewalt.
-
Klassische Bürokratie
Späteres 19. und 20. Jahrhundert. Führung von Grossorganisationen nach Regeln. Beamte (auch in der Privatwirtschaft: „Bankbeamte“), Verfahren, Schriftlichkeit, Gesetz, Legalitätsprinzip und Rechtsstaat. Darauf stützt sich Max Weber (1864-1920) bei seiner Konstruktion der Bürokratie als Idealtyp. Er glaubte, Bürokratie sei die rationalste Form von Herrschaft und Vorbild für den öffentlichen und privaten Bereich. Doch die Beamten waren kein Schutz für die Demokratie; sie erwiesen sich leider auch faschistischen und kommunistischen Despoten gegenüber als loyal.
-
Neue Bürokratie
Seit ca. 1990 (Finanzmarktkapitalismus). Neoliberale De-Regulierung (die später wieder eine Re-Regulierung nötig machte). Führung von Grossorganisationen nach dem Prinzip der Maximierung des finanziellen Gewinns (oder Kosteneffizienz). (Selbst-)Manager im System von Zielen, Indikatoren, Performance Measurement (auch Qualität soll messbar werden), sinnlose Wettbewerbe. NPM (New Public Management) mit Delegation von Kompetenz, aber rigorosen Kontrollen (Principal-Agent-Problem wie in der Privatwirtschaft): Der Manager versteht sich als Subjekt, ist aber das Objekt des Systems.
Die neoliberale Ent-Bürokratisierung hatte gerade wegen der Managementtools eine Re-Bürokratisierung zur Folge. Insofern hat Bürokratie wirklich einen grossen Magen. Die drei Typen von Bürokratie kommen natürlich auch in Mischungsverhältnissen vor.